„Auf Zehenspitzen“

Von Juliane Felsch

Das Kinderballett der Deutschen Oper Berlin lockte am Sonntag rund 300 Besucher nach Garz

GARZ – Für die Dramatik des Märchens sind sie gut, aber sehen will sie am Sonntag niemand: dicke Wolken in Dunkelgrau, die tief und schwer über der Garzer Kirche hängen. Die erste Regenhusche hat das wartende Publikum schon erwischt. Nun ist es an den Azubis der Deutschen Oper Berlin, die Bühne trocken zu wischen für das Kinderballett und Sergej Prokofjews Tanzmärchen „Aschenputtel“. Einer hilft noch mit – mit Worten, der Pfarrer Patrick Schnabell. Und siehe da: Nach einer kurzen Andacht ist der Himmel über Garz wieder strahlend blau. „Es hat geholfen“, ruft André Schmitz verzückt.

Der Berliner Kulturstaatssekretär ist am Sonntag der prominente Gastgeber in Garz. Seit vielen Jahren wohnt er in dem kleinen Ort und setzt sich für das dortige Kirchen- und Kulturleben ein. Für die Garzer Kultursommer-Reihe lässt er regelmäßig seine Kontakte zur Berliner Musik-, Tanz- und Literaturszene spielen. Wer das Ausmaß der Popularität des Garzer Kultursommers kennt, muss sich denn auch nicht wundern, am Sonntag die Journalistin und Fernsehmoderatorin Sandra Maischberger im Publikum zu entdecken.

Rund 300 Zuschauer haben sich ihre Plätze rund um das Tanzparkett im Garzer Kirchgarten gesucht – eine Mischung aus jungen Familien, gut situierten Sommergästen und älteren Damen aus Garz und den Nachbardörfern. Die Bänke reichen bei Weitem nicht, gut sitzen lässt es sich aber auch auf der Kirchgartenmauer und auf der Wiese allemal. Es geht angenehm locker zu beim beliebtesten Programmpunkt des Garzer Kultursommers. Aus Termingründen hätte das Gastspiel der Ballettkinder in diesem Jahr beinahe abgesagt werden müssen. „Aber es gab einen Protestschrei in Garz, den ich nach Berlin weitergeleitet habe“, sagt André Schmitz.

Vor neun Jahren kam der Ballettnachwuchs der Deutschen Oper mit seiner Reihe „Kinder tanzen für Kinder“ zum ersten Mal nach Garz. Die Besetzung hat längst gewechselt – der Charme ist geblieben. Kinder tanzen für Kinder: Diese Idee hatte einst die Tänzerin und Choreografin Felicitas Binder. Nach wie vor entwirft sie gemeinsam mit der Produktionsleiterin Rebecca Berger rund einstündige Fassungen klassischer Ballettstücke. Das halten die Tänzer zwischen sechs und 18 Jahren gut durch – und auch das vorwiegend junge Publikum. Die Originalstücke sind oft doppelt so lang.

Das Märchen vom Aschenputtel, das sich mit seinen Stiefschwestern herumplagen muss, bis der Königssohn sie dank des verlorenen goldenen Schuhs als seine wahre Braut erkennt, begeistert auch Dietmar Schwarz, den neuen Intendanten der Deutschen Oper in Berlin. Der Zufall will es, dass der Termin in Garz die erste Vorstellung unter seiner Intendanz ist. Ein schöner Auftakt, wie er findet: „Wir brauchen die Künstler und das Publikum der Zukunft.“

Der Eintritt zum Ballett am Sonntag war zwar frei, doch wurden die Besucher um Spenden für die weitere Sanierung der Garzer Kirche gebeten. Rund 1400 Euro kamen zusammen.